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Ob Isis- und Mitras-Kult der Römer oder die sagenumwobenen Tempelritter, ob die Dombaumeister des Mittelalters oder die Freimaurer, ob der Orden des Goldenen Vlies oder Opus Dei, die Mafia oder der Club 45, Wien ist durch seine Geschichte immer wieder - und zwar bis heute - Ort und Spielwiese von Geheimbünden. Das erfuhren 16 Personen auf der vom Konventikel Wiener Weinberge organisierten Stadtführung am 20.9.2025, die informativ und unterhaltsam von Marie-Sophie Ioncheva gestaltet wurde.

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"Kennzeichen eines Geheimbundes ist der elitäre, geschlossene Personenkreis von Auserwählten, die sich einem Aufnahmeritual unterziehen müssen und die geheime Aktivitäten innerhalb ihres Bundes oder Kultes veranstalten", erklärt Marie-Sophie zu Beginn am Hohen Markt. "Begonnen haben dürfte alles im alten Ägypten, und zwar mit dem Isis-Kult, der das Leben und die Liebe feierte." Symbol war die Muttergottheit Isis, die den kleinen Sohn Horus auf dem Schoß hält. Ein ähnliches Bild wie später Maria mit dem Kinde. Zufall oder Weiterführung? Ähnlichkeiten mit dem späteren Christentum gab es auch beim Mitras-Kult, denn dieser Gott wurde mit einem Strahlenkranz abgebildet - ähnlich dem späteren Heiligenschein christlicher Figuren.

"Geheimwissen gab es auch bei den Dombaumeistern, die als freie Menschen am Tisch der Reichen und Mächtigen saßen", so Marie-Sophie. Vom 15. bis zum 17. Jhdt. eine mächtige Zunft, die über das geheime Wissen der Dombaukunst verfügte und so riesige Kathedralen errichten konnte. Man wurde als Lehrling aufgenommen, avancierte zum Gesellen und später zum Meister. "Für jede Stufe gab es Passwörter und Rituale, die nur Eingeweihte kannten." 

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Von den echten Maurern und Dombaumeistern leiteten sich dann die Freimaurer ab. "Was beim tatsächlichen Bau wichtig war - der rechte Winkel, der Zirkel und der Stein - das wurden auch die Symbole der Freimaurer. Sie wollten die perfekte Gesellschaft errichten, wobei die Steine die Menschen waren, die bearbeitet und verbessert werden mussten, und der rechte Winkel für das rechte Handeln galt." Und so wurden die Freimaurer ein philosophischer Zirkel, dem Adelige, Denker, Dichter wie Goethe, Künstler wie Mozart und Philosophen angehörten.  

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Ein Geheimbund der Gegenwart ist die Mafia, die Cosa Nostra, was so viel wie "unsere Sache" heißt. Und da gab es im Jahr 2018 mitten in Wien, und zwar beim Figlmüller im kleinen Durchgang, einen spektakulären Mord. Ein Clanmitglied hat ein Mitglied eines verfeindeten Clans hier auf offener Straße erschossen. "Bei Geheimbünden wie der Mafia geht es manchmal also auch ziemlich brutal zu", berichtet Marie-Sophie. "Auch hier gibt es Aufnahmerituale und Aufgaben, die erledigt werden müssen. Allerdings selten zum Wohl der Menschen."

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Und so führte der Spaziergang durch das alte Wien wieder zurück ins Mittelalter, wo sich der Sitz der Tempelritter in der Blutgasse hinter dem Stephansdom befand. Ein reicher und mit der Zeit zu mächtiger Ritterorden wurde zum Bewahrer von Geheimnissen, mit denen der Papst und die Kirche in Bedrängnis geraten könnten. Und so kam es am 13.10.1307 zum blutigen Freitag, wo viele Templer niedergemetzelt wurden. "Andere flohen nach Schottland wurden von der Familie Saint Claire aufgenommen, die auch im 16. Jahrhundert hinter der Gründung der Freimaurer stand. Womit sich der Kreis wieder schloß."

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Noch viele Geschichten über alte Geheimbünde gab es da zu hören, wie jene vom Orden des Goldenen Vlies, der 1433 von Phillip dem Guten gegründet worden war und dem bis heute ein Habsburger - in diesem Falle Karl Habsburg - vorsteht. Und dem Mitglieder aus dem katholischen Hochadel angehören. "Die Aufnahmezeremonie wird übrigens bis heute in der Deutsch Ordenskirche, nur einen Steinwurf entfernt von den Templern, jeweils am 30. November durchgeführt.

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Vor der Großloge der Freimaurer in der Rauhensteingasse 3 endete dann diese interessante Stadtführung, die einen interessanten und sehr informativen Einblick in die Welt der Geheimbünde gab. Und die einmal mehr aufzeigte, wie reich Wien an Geschichten und Geschichte ist.

Text und Fotos: Christian Stöger

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