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Ehrlich: wer hat sich schon mit der Sittengeschichte Wiens auseinandergesetzt? Nun, das Konventikel Wiener Weinberge lud am Samstag, den 16.10.2021 zur Stadtführung mit Mag. Katharina Trost ein, um genau dieser pikanten Geschichte der Stadt auf den Grund zu gehen.  Wir haben die historischen Städten der Lust und des Lasters besucht und interessante Einblicke bekommen.

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Von den Römern bis ins Mittelalter und herauf ins Biedermeier hat man immer versucht, Zucht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Was, wie die rund 20 Teilnehmer der pikanten Führung erfuhren, nie wirklich gelang. Denn der Wiener und auch die Wienerin fand immer Möglichkeiten, sich Lust und Laster hinzugeben. Los ging's am Michaelerplatz vor den römischen Ruinen. Wenn man genau schaut, sieht man an einer Mauer sogar noch eine Wandmalerei, die auf eine Taverne schließen lässt. Und die waren im alten Rom bzw. auch im alten Vindobona immer auch Stätten der Lust. Weil aber der römische Kaiser etwas dagegen hatte, dass Liebe mit seinem Porträt auf den Münzen erkauft wurde, gab es eigene Bordellmünzen. Gleich mit der jeweiligen Stellung, die man gerne gehabt hätte.  Damit es keine Missverständnisse gab. 

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Schräg gegenüber befand sich bis vor nicht all zu langer Zeit das legendäre Literatencafé Griensteidl (heute ist hier leider ein Supermarkt). Stammgast im Griensteidl war u.a. auch ein gewisser Felix Salten, der 1807 die Geschichte über die wohl berühmteste Prostituierte Wiens geschrieben hat: "Josefine Mutzenbacher". Diese rein literarische Figur steht exemplarisch für viele Wiener Mädchen der damaligen Zeit, die sich oft aus purer Not und einem Leben in Armut (die Mutzenbacherin stammt aus Ottakring und spricht auch den typischen Wiener Vorstadtdialekt) verkaufen mussten. Aber auch 100 Jahre später hat hier Arthur Schnitzler verkehrt, der mit seinem Theaterstück "Reigen" 1920 für einen handfesten Skandal gesorgt hat - und der auch das sogenannte "süße Wiener Mädel" erschaffen hat. 

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Gleich daneben steht die Michaelerkirche, die bis ins 18. Jahrhundert die Kirche der "Hübschlerinnen", also der Huren war. Denn wo sich heute das Burgtor befindet, stand früher das Hofburgtheater (eine Gedenktafel erinnert an den Bau). Und so mancher Galan hat sich nach dem Theaterbesuch einer "Hübschlerin" zugewandt, die  auf dem Michaelerplatz auf Geschäfte gewartet hat. Und mangels anderer Möglichteiten war die Kirche als Rückzugsort  beliebt. In den Beichtstühlen wurden nicht nur Sünden eingestanden, sondern oft auch gleich neue Verstöße gegen das 6. Gebot begangen. Was unter Maria Theresia dazu führte, dass die Michaelerkiche - aber auch alle anderen Kirchen der Stadt - nachts abgesperrt wurden.

Und so wich man in die stillen Seitengassen hinter der Michaelerkirche aus, oder der "sehr geehrte Herr" bestellte einen Fiaker. Mit dem Zusatz für eine "Porzellanfuhr". Ein Begriff, der sich angeblich bis heute erhalten hat. Was soviel bedeutete, dass zum einen das Verdeck geschlossen wurde und zum anderen, dass man nicht zu schnell über holprige Straßen fuhr, sondern langsam und eben dahinzuckelte. Damit die Gäste unbehelligt von äußeren Stößen dem Stoßverkehr nachgehen konnten. 

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Weiter ging's zum Graben, dem Arbeitsplatz der Edelprostituierten, auch Grabennymphen oder Grabenschnepfen genannt. Hier wurde angebandelt, geflirtet und geschäftlich verkehrt, ganz besonders zur Zeit des Wiener Kongresses (1815). Wenn man vom "Schnepfenstrich" sprach, war allen klar, was man damit meinte.

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Und damals, im gar nicht so prüden Biedermeier, hat der bekannte Maler Peter Fendi nicht nur schöne Wien-Ansichten gemalt, sondern für ein ausgewähltes Klientel auch ziemlich expressive Darstellungen der körperlichen Liebe, die sich vor allem in den adeligen Herrenzirkeln großer Beliebtheit erfreuten. Besonders beliebt bei den Gunstgewerblerinnen war die Naglergasse (nomen est omen). Denn hier befinden sich bis heute die typisch mittelalterlichen Häuser mit Vorder- und Hintereingang - ideal, um unbemerkt Besuch zu empfangen oder zu verabschieden.

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Am Franziskanerplatz befand sich im Mittelalter sogar eine Einrichtung zur Resozialisierung gefallener Mädchen. Waren diese dann gewissermaßen "resozialisiert", galten sie als ideale, in der körperlichen Liebe erfahrene Ehefrauen. Und so warteten bei der Entlassung der Damen jeweils bereits mehrere heiratswillige Herren am Platz. Als aber die geistliche Leiterin der Einrichtung den Pfarrer heiratete, wurde die Institution aufgelöst und den Franziskanern als Kloster zur Verfügung gestellt.  Apropos Mittelalter: in den damaligen Badestuben ging es auch recht lustig zu, wenn sich Männlein und Weiblein gemeinsam im Holzzuber vergnügten. Und bei den Ritterturnieren "Am Hof" gab es sogar so etwas wie ein Hostessenservice, denn die Damen zeigten den Rittern ungeniert, was sie körperlich zu bieten hatten, wie zeitgenössische Darstellungen belegen. 

Viele Straßennamen und Orte Wiens (Lustgasse, Milchgasse, Jungferngasse etc.) erinnern bis heute an die lustfreundlichen Zonen der Stadt, wie auch auf einer Ansichtskarte aus der Zeit des Wiener Kongresses zu sehen ist.

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Fazit: käufliche Liebe und Lust war zu allen Zeiten präsent, manchmal offensichtlicher, dann wieder mehr im Geheimen. Doch wer wollte, konnte und kann sich in Wien zu jeder Zeit vergnügen. Ob  in der Herrensauna "Kaiserbründl" in der Weihburggasse 18 oder im Hotel Orient am Tiefen Graben, bis heute Wiens bekanntestes und berühmtestes Stundenhotel (Stoßzeiten 12-14 und 17-19 Uhr), oder in den immer noch zugänglichen Separeés in diversen Clubs und Lokalen,  die Sittengeschichte Wiens wird nahezu täglich fortgeschrieben. Ein amüsanter und aufklärender Blick hinter die biedere Fassade der Stadt war dieser Spaziergang, der nicht nur amüsierte, sondern vielleicht auch inspirierte.

Text und Fotos: Christian Stöger

 

 

 

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