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"In Sievering blüht wieder der Flieder" - das Lied von Peter Alexander hat sich beim 4. Wiener Kulturspaziergang in den ehemaligen Heurigenort Sievering (seit 1890 in Wien 19 eingemeindet) am 7.5.2022 bewahrheitet. Aber nicht nur die wohlriechenden lila Sträucher begeisterten die 12 Mitglieder des St. Urbanus Weinritterordens, sondern vor allem auch die Geschichten rund um den Wein, unterhaltsam erzählt und gezeigt von Katharina Trost. Von den einst mehr als 100 Heurigen gibt es heute leider nur mehr drei, einen davon, die Buschenschank Haslinger, war der vinophile Schlusspunkt dieser Stadtführung.

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Los ging's in Obersievering, beim sogenannten "Malerwinkel", wo früher das legendäre Gasthaus "Zur Agnes" stand und sich heute eine Großbaustelle für eine Wohnanlage (Sieveringer Strasse 221) befindet. Hier ist auch der Oberlauf des Arbes- oder Erbsenbaches zu sehen, der wichtigste Nebenfluss des Krottenbaches, der die 4,3 km Richtung Stadt nur noch unterirdisch fließt. Ursprünglich standen hier grundherrliche Meierhöfe, um die sich die Weinbauern als Untertanen der Gutsherren ansiedelten. Wie etwa beim Meierhof (Sieveringer Straße 170). Unter Kaiser Ferdinand II. kamen im Zuge der Gegenreformation 1634 die Kamaldulenser auf den Kahlenberg (damals Sauberg). 1782 von Joseph II aufgelöst ist heute noch das Wappen über dem Tor zu sehen.

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Bereits die Römer haben auf dem Gebiet des heutigen Sievering gesiedelt, wovon auch der sogenannte "Römersteinbruch" zeugt. 1043 siedelten sich die Franken hier an, und im Jahr 1114 wurde „Sufrigen“ erstmals urkundlich erwähnt. 1330 wurde die erste Andreaskapelle geweiht (der Hl. Severin hatte hier bereits im Jahr 454 gewirkt), und im gleichen Jahr (1330) wurde Ober- und Under-Sufferingen erstmals getrennt angeführt.

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Die Sieveringer Kirche lag an der damaligen Grenzscheide, daher findet man dort auch den ältesten Teil des Ortes. So könnte der massive Turm der Kirche auf einen römischen Wachturm zurückgehen. 1348 wurde Sievering zur Pfarre erhoben und gehört zum Stift Klosterneuburg.   Es erfolgten mehrere Um- und Ausbauten von Gotik bis neo-Gotik. Das barocke Hochaltarbild zeigt den heiligen Severin, das Taufbecken stammt aus dem 16. Jh. 

Unweit davon steht das sogenannte Anton-Karas-Haus, ein ehemaliger Heuriger. Den hat Anton Karas gegründet, nachdem er mit seinem "Harry Lime-Thema" aus dem Film "Der 3. Mann" weltberühmt geworden war. Karas war 1948 vom britischen Filmregisseur Carol Reed in Sievering zufällig entdeckt worden. Wo? Natürlich bei einem Heurigen, wo er Zither spielte. Vom "Harry Lime-Thema" waren schon nach drei Wochen 100.000 Schallplatten verkauft, Karas ging auf Welttournee und eröffnete 1954 die "Weinschenke Zum Dritten Mann" (bis 1966) als Nobelheuriger, wo prominente Gäste wie  Curd Jürgens, Hans Moser, Orson Welles, Gina Lollobrigida oder Johannes Heesters einkehrten. Heute ist hier ein Wohnhaus. Anton Karas ist 1985 verarmt gestorben und am Sieveringer Friedhof beigesetzt. Seine Original-Zither soll er ins Grab mitgenommen haben. 

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Eine nette Episode erfuhren wir beim Denkmal der Gans Lilly. Bis Herbst 1970 befand sich auf diesem Platz die Endstation der Straßenbahnlinie 39  (Spitzname „Dschungelbahn“ wegen der vielen Ausflügler ins Grüne). Auf den Schienen wärmte sich immer eine Gans namens Lilly aus einem nahen Bauernhof. Sie verließ ihren Platz auch dann nicht, als die Straßenbahn kam, und so musste sie immer vom Straßenbahnführer von den Schienen getragen werden, um die Durchfahrt zu ermöglichen. Als Symbol der Gemütlichkeit und der dörflichen Idylle wurde ihr  dieses Denkmal gewidmet. 

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Vorbei am nicht mehr existierenden Helenen-Bad (ab 1846), an der Villa von Anna Herzog – der Geliebten von Hermann Broch – einem typischen Winzerhaus (Sieveringer Straße 108), dem Heurigen Braunsperger, weiter zur alten Weinpresse aus dem 18. Jh. Ein Relikt vom Heurigen Köller, auch den gibt es nicht mehr.

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Weiter stadteinwärts erinnert nur mehr das Originaltor an die legendären Wien Film-Studios. Aus den Studio-Gebäuden wurde 1985 eine Wohnsiedlung. Die Sascha-Filmindustrie AG war die größte österreichische Filmproduktionsgesellschaft der Stummfilmzeit und der frühen Tonfilmzeit. Das Unternehmen wurde 1910 von Alexander Joseph „Sascha“ Graf Kolowrat-Krakowsky als Sascha-Filmfabrik in Böhmen gegründet und 1912 nach Wien verlegt. 1916 erbaute Sascha-Film das erste Großatelier in Sievering. Mit Monumentalfilmen wie Alexander Kordas „Prinz und Bettelknabe“ (1920) und Michael Curtiz' „Sodom und Gomorrha“ (1922) sowie „Die Sklavenkönigin“ (1924) stieg das Unternehmen zu einem der erfolgreichsten europäischen Filmproduzenten auf. 

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Im Rahmen des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich ging das Unternehmen in den Besitz der Nationalsozialisten über und wurde als Wien-Film GmbH neugegründet. Während der Kriegswirren wurden  60 Filme gedreht, berühmt für die sogenannten „Wiener Filme“, wo die Karrieren von Willi Forst, Hans Moser, Paula Wessely, Marlene Dietrich, Wolf Albach-Retty, Hans Holt, Attila und Paul Hörbiger, Rudolf Prack, Jane Tilden uva. entstanden.

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Auf eine lange Geschichte kann ach die Bäckerei Wannenmacher zurückblicken. Rittmeister Alois von Wannenmacher gründete im Revolutionsjahr 1848 gemeinsam mit seiner Frau Aloisia diese Bäckerei in Sievering. Aus dieser bewegten Zeit stammt auch das Original-Rezept des "Heurigen-Roggenbrots", welches unverändert bis heute noch täglich in der eigenen Backstube gebacken wird. Als mittlerweile Wiens älteste Bäckerei im Familienbesitz - Gregor Lautner führt sie nun in 8. Generation - ist diese im Laufe der Jahre zu einem modernen Betrieb, ausgezeichnet mit dem AMA-Handwerkssiegel, angewachsen. 

Vorbei am Haus von Nina Loos in der Sieveringer Straße 107, kamen wir auf Nummer 99 zum ältesten Haus in Sievering, dem "Dreikugelhaus“. So benannt nach den türkischen Kanonenkugeln aus Stein, die vor dem Haus liegen. Mit 40 cm Durchmesser sind dies die bei weitem größten Türkenkugeln, die es in Wien gibt. sie sind vermutlich aus dem Sieveringer Steinbruch, welcher bis 1921 bestand. Am Haus steht geschrieben: "Anno 1683 sa ich aufflign diese Kugeln vor diesem Haus“.

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Die Statue Ecke Sieveringer Straße/Windhabergasse ist dem „sogenannten“ Brot-Schani gewidmet. Es handelt sich um Mathias Kahovec, genannt „Motzl“, Er war Brotausträger der Bäckerei Wannenmacher zu den Sieveringer Heurigen, aber auch „Badewaschl, Gerüsta, Hausschani und was halt sonst no alles anfallt an ana Orweit.“ Gestiftet und errichtet zu seinen Lebzeiten vom Weinhauer Rudi Schachinger 1974. 

Beeindruckend dann der Gemeindebau Ecke Sieveringer Straße 81/ Börnergasse. Im ehemaligen Besitz der Kartause Gaming befand sich hier von 1904 bis 1985 das Produktionsgelände der Automobilfabrik Gräf & Stift. Ursprünglich 1897 als Radfahr-Werkstätte gegründet, wurden bei Gräf & Stift bis 1938 luxuriöse Personenkraftwagen erzeugt. Das Kaiserhaus, der Hochadel und später die Repräsentanten der Republik fuhren Autos von Gräf & Stift. An diesem Standort fertigte man auch Lastwagen und Autobusse. Letztere wurden in großer Zahl für die österreichische Post, ÖBB und Gemeinde Wien erzeugt.

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Die Brüder Gräf bauten hier den ersten funktionierenden Vorderradantrieb der Welt (Patent). Was mit 40 Arbeiter begonnen hat, wurde ein Unternehmen mit 1.800 Beschäftigten. So stammt etwa der Wagen, in dem der österreichische Thronfolger in Sarajewo erschossen wurde, von Gräf & Stift. Die Kühlerfigur der Gräf & Stift-Autos, zu ihrer Zeit ähnlich berühmt wie jene von Rolly Royce, war den Löwen an der Nußdorfer Wehr nachempfunden. In den 1980er Jahren wurde dann hier der Franz Weber-Hof mit 500 Gemeindebau-Wohnungen errichtet, an dem insgesamt 22 Architekten beteiligt waren und der heute als Vorzeigeprojekt für sozialen Wohnbau im Grünen gilt. 

Nach den vielen und interessanten Informationen von Katharina Trost ging es mit dem Autobus 39 a zurück zum „Ursprung“, um in der Agnesgasse 3 beim Buschenschank Haslinger einzukehren. Das Gebäude, eine ehemalige Textilmanufaktur aus dem 19 Jh., wurde von Familie Haslinger vor 80 Jahren liebevoll umgebaut und zeigt sich nun als typischer Wiener Heuriger, mit herrlichem Blick Richtung Hackenberg von der 1979 erbauten Dachterrasse. Auch die Weine zeigen sich wie der Betrieb sehr bodenständig. Neben dem mit einer Goldmedaille ausgezeichneten Weissburgunder (Ried Görgen) sind es vor allem der Grüner Veltliner von der Riede Nußberg, und der Riesling „Ried Mitterberg“, die auf ein zweites Glas einladen. Es gibt dann noch WR, GS, MT, FRV sowie ZWt, ZW Rosé Riede Nußberg und BF. Eine Vielfalt von Weinen aus eigenem Anbau zum traditionellen Heurigenbuffte, wie es früher einmal war. 

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Text: Katharina Trost und Kalr Seidelmann
Fotos: Christian Stöger

 

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