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Wer kennt nicht Jules Verne Roman "In 80 Tagen um die Welt"? Es waren aber diesmal nicht Phileas Fogg und sein Diener Jean Passepartout, sondern interessierte Mitglieder der St. Urbanus Weinritter Ordenskollegiums, die sich am 5. Februar 2022 auf eine derartige Reise machten. Allerdings ging's dabei nicht in 80 Tagen, sondern in nur 80 Minuten rund um Welt. Und zwar beim Wiener Kulturspatziergang des Konventikels Wiener Weinberge im Weltmuseum am Heldenplatz.

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Wegen des großes Interesses führte Bibiane Krapfenbauer zwei Gruppen fachkundig durch das frühere Völkerkundemuseum, seit 2013 "Weltmuseum", in dem sich ca. 200.000 Objekte befinden. Der Auftrag des Museums ist es, ein besseres Verständnis für fremde Kulturen und Weltreligionen zu vermitteln. Weiters sollen den Besuchern die Vielfalt der Kulturen, die es auf der Erde gibt, aufgezeigt und nähergebracht werden. Wovon sich die zwei Weinritter-Gruppen in elf Schauräumen überzeugen konnten.  

Im ersten Raum – Ein Dorf in den Bergen – wurde das Leben der Bewohner eines buddhistischen Dorfes im Himalaya gezeigt, ebenso die modellhafte Inszenierung eines Dorfes in den Tiroler Bergen. Hier sahen wir die aus 1596 stammenden Tiroler Federnhüte und erfuhren, daß hier in Wien die größte Restaurationswerkstätte der Welt für Federnhüte ist. Dann ging's nach Feuerland, an die Südspitze Südamerikas. Hier muss man den Ordenspriester, Missionar und Ethnologen Martin Gusinde erwähnen. Geboren 1886 in Breslau, gestorben 1969 in Mödling, hat er sich durch seine Forschungsreisen nach Zentral- und Südamerika, Chile und zu den „Feuerland-Indianern“ weltweit einen Namen gemacht. Mit seinen Erkenntnissen widerspricht er den stereotypischen Beschreibungen der Feuerländer als primitiv, die insbesondere von Charles Darwin vertreten worden waren. Ihre „dürftige“ und einfache materielle Kultur sind das Ergebnis der großen Angepasstheit an den Lebenraum.

Die „Weltreise“ führte uns weiter in das westafrikanische Königreich Benin der Edo und ins Kaiserreich Äthiopien. Die ausgestellten Kunstschätze, Geschenke des äthiopischen Kaisers Menelik II. an Kaiser Franz Joseph I., zählen zu den wichtigsten und wertvollsten Beständen des Museums.

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Bemerkenswert die Geschichte der Österreicherin Lore Trenkler (1914 – 2002), die 1960 als Diätköchin für die zuckerkranke Kaiserin Menen nach Äthiopien reiste. Nachdem dem Tod der Kaiserin 1962 blieb Lore Trenker als persönliche Köchin für Kaiser Halle Selassie am Hof. Sie versorgte den Kaiser bis zu seiner Ermordung in Gefangenschaft im August 1975. Was war der Grund? Er liebte den Apfelstrudel von Frau Trenkler.

Brasilien, der Regenwald und der Amazons waren die Themen im nächsten Raum. Wir bekamen Einblick, wie die indigene Bevölkerung im Urwald lebt. Über ein typisches Mittagessen, bestehend aus Reis, Mehl, Ameisen und etwas Salat, erfuhren wie Medikamente aus Blättern und Rinde gewonnen und verwendet werden und hörten vom sogenannten Tucandeira-Ritual. Dabei stecken die jungen Männer des Satere Mawe-Stammes ihre Hand in einen aus Stroh geflochtenen und mit Tucandeira-Ameisen gefüllten Handschuh, während sie zu indigener Musik tanzen. Ein sehr schmerzhaftes Initiations-Ritual. 

Erwähnt wurde auch der durch den Autobauer Henry Ford um 1920 erzeugte Kautschukboom, denn man benötigte Reifen für die Autos. Ford ließ große Teile des Regenwaldes roden um u.a. Grundstücke für Dörfer für die Produktion zu bauen. So entstand etwa Fordlandia – zwischen Belem und Manaus. Riesige Plantagen wurden errichtet, doch aus der reichen Ernte wurde nichts. Ein mikroskopisch kleiner Pilz verhinderte die Kultivierung des Kautschukbaumes in Plantagen. Nie wurde jemals ein Reifen aus Kautschuk in Fortlandia gefertigt.

"Im Schatten des Kolonialismus" war Thema des nächsten Raumes. Zwischen 1500 und 1920 geriet die Mehrzahl der Weltbevölkerung unter Fremdherrschaft. Diese war durch Ausbeutung und Konflikte geprägt. Auch das Weltmuseum Wien profitierte von der kolonialen Expansion Europas und die Erwerbsgeschichten vieler Gegenstände sind Zeugen von Aneignung und kolonialer Gewalt.

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Sehr bemerkenswert ist folgende Begebenheit: Am 20. Mai 2015 fand im Weltmuseum Wien die feierliche Übergabe menschlicher Gebeine an eine Maori-Delegation aus Neuseeland statt. Es handelte sich dabei um einen Maori-Schädel, eine Kindermumie, einen Sarg mit Skelettfragmenten und ein Geflecht mit neun menschlichen Wirbelknochen. Nach ihrer Rückführung wurden die Gebeine, die der Naturforscher Andreas Reischek um 1882 ohne große moralische Bedenken aus Maori-Begräbnisstätten entfernt hatte, im Te Papa Tongarewa-Museum in Wellington in Empfang genommen. Nach der Übergabe an nahe Verwandte wurden die sterblichen Überreste der Maori-Vorfahren erneut in ihrer Heimat bestattet.

Weiter ging's dann nach China. Archäologische Grabfunde wie Seide und Jade belegen, dass diese kostbaren Waren bereits vor 2000 Jahren aus dem Kaiserreich Han bis nach Europa gelangten. Auch Luxusgüter wie Porzellan, Tee und Lackarbeiten waren zu sehen. Das 19.Jahrhundert war geprägt von Kriegen Chinas mit Europa, von den sogenannten Opiumkriegen (1839 – 1842 und 1856 – 1860) bis hin zum Boxeraufstand im Jahre 1900, an dessen Niederschlagung sich auch die k.u.k.  Armee beteiligt hat. 

1873 markierte die Wiener Weltausstellung einen besonderen Moment in der Geschichte Japans, dem der nächste Raum gewidmet war. Japan befand sich damals im Umbruch und war bestrebt, sich Europa als moderner Staat zu präsentieren. Ein zentrales Thema der Weltausstellung war die Architektur und eines der größten Ausstellungsstücke im damaligen Japan-Pavillon war das beeindruckende Modell einer Daimyö-Residenz der Edo-Periode (1600 – 1868).

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Die zweite Raumhälfte widmet sich dem kulturellen Austausch zwischen Japan und Europa in der Meiji-Periode (1868 – 1912).  

Bezeichnend für den Raum Insulares Südostasien – unser nächstes „Reiseziel“ - ist das Interesse an den verschiedenen Volksgruppen. Die Sammelobjekte in dieser Reihe stammen aus den Inselgruppen Nikobaren und Andamanen, aus den Staaten Malaysia, Brunei, Singapur, Indonesien, Timor Leste und den Philippinen.  

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Südsee-Begegnungen mit dem verlorenen Paradies – nächste Station in dieser unglaublich vielseitigen und informativen Führung. Hier handelt es sich um 30.000 Gegenstände, die die hervorragenden handwerklichen Fähigkeiten und künstlerischen Leistungen der Bewohner zeigen und Aufschluß geben über ihre außerordentliche Kreativität bei der Gestaltung von Lebensräumen, Sozialorganisationen und Weltbildern. Europäische Schiffsexpeditionen u.a. James Cooks 3. Weltumsegelung (1776/79) sowie die erste Südseereise von Otto Finsch (1879/82) hatten nicht nur die Entdeckung und Erschließung unbekannter Erdgebiete zum Ziel, sie waren auch Wegbereiter für die koloniale Eroberung der Welt. Zahlreiche Alltags-, Schmuck- und Ritualgegenstände erinnern an diese Zeit.   

Der Neuen Welt – Nord- und Mittelamerika – war der nächste Raum gewidmet. Man sah Objekte zu den traditionellen Kulturen Mittel- und Nordamerikas von der Kolonialzeit bis heute. Schwerpunkte dabei archäologische Funde aus Mexico, Costa Rica und Panama. Sprachen, Glaube, Kunst sowie das Aussehen der „First People“ Nordamerikas sind durchaus verschieden.

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Designs auf heiligen Gegenständen, Werkzeugen und Menschen selbst zeugen von ihrer Identität und Herkunft. Diese Tradition setzt sich heute im Gebrauch von Flaggen, Kleidung und moderner Kunst fort.

Höhepunkt dieser Sammlung und zugleich Abschluß unserer Weltreise war der berühmte mexikanische Federkopfschmuck (Penacho de Moctezuma) aus Federn des grün und scharlachrot gefärbten Quetzalvogels.  Das einzig erhaltene Objekt seiner Art ist über 500 Jahre alt . Diese kostbare Federkrone war vermutlich der Kopfschmuck eines Priesters . Eine Verbindung mit dem vorletzten aztekischen Herrscher Moctezuma Xocoyotzin ist höchst spekulativ.  

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Im Anschluß gab es ein geselliges und unterhaltsames Beisammensein in der „Feinkosterei in der kleinen Dreifaltigkeit“ am Judenplatz. Hier wurde über das Gehörte und Gesehene bei kulinarischen Köstlichkeiten und guten Weinen lange noch geplaudert, und auch die Erfahrungen beider Gruppenführungen noch lange ausgetauscht.

Text: Karl Seidelmann
Fotos: Silvia Stöger, Karl Seidelmann

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