Sie ist eine Type - und eine Spezialistin, was Glas angeht. Er ist ein Burgundermacher - und auf seinem Gebiet ebenfalls ein Spezialist. Hilde Kuchler, Glaskünstlerin in Weigelsdorf, und Leopold Auer, Top-Winzer in Tattendorf. 20 Mitglieder des St. Urbanus Weinritter Ordenskollegiums besuchten die Beiden im Zuge der Weinreise, organisiert von Karl Seidelmann (Konventikel Wiener Weinberge) am 12. Mai 2017. Und erfuhren dabei viel über Glas, Kunst und Pinot Noir.

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Ob die Glasherstellung in Mesopotamien, in Ägypten oder an der Levanteküste erfunden wurde, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit sagen. Die ältesten Glasfunde stammen jedenfalls aus Mesopotamien; ägyptische Quellen deuten für die Anfangsphase der Glasnutzung in Ägypten auf einen Import aus dem Osten hin. Die älteste textliche Erwähnung stammt aus Ugarit und wird auf etwa 1600 v. Chr. datiert. Das älteste sicher zu datierende Glasgefäß ist ein Kelch, der den Namen des ägyptischen Pharaos Thutmosis III. trägt und um 1450 v. Chr. entstanden ist. Der Kelch befindet sich seit dem 20. Jahrhundert im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst in München. Und in Weigelsdorf in Niederösterreichbefindet sich Österreichs größte Glasgalerie im Kuchlerhaus - und an der Außenfassade das größte Glasmosaik Europas.

Seit den 1960er Jahren hat es sich Hilde Kuchler in den Kopfe gesetzt, ihren Beruf der Glasmacherin und ihre Passion für die Bildende Kunst zu verbinden - und gemeinsam mit ihrem Mann Peter ein einzigartiges Geschäft aufzubauen. Auf über 5.000 m2 findet man heute im "Kuchlerhaus" nicht nur die Glaserzeugung (während der warmen Jahrszeit ist die Produktion aufgrund zu großer Hitze eingestellt), sondern auch die Glasmanufaktur, den Skulturenpark und im Glasmuseum alles, was man zum Thema Glas wissen sollte. Und in der Glasgalerie gibt es Glaskunst, die einem Staunen lässt.

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"Wir machen heute die Antiquitäten des nächsten Jahrhunderts", erklärt uns Hilde Kuchler selbstbewusst. Eine resolute Frau, die und in ihre Welt, die Welt des Glases, einführt. "Die Glasproduktion stirbt aus, es gibt bei uns keinen Nachwuchs mehr", klagt sie. Auch in Murano, der berühmten Glasinsel in der Lagune von Venedig, werden nur mehr ganze 2% des Glases auch vor Ort erzeugt. Das meiste wird in China produziert und nur mehr in Murano verkauft. "Nachdem durch ausfließendes Glas die Stadt Venedig zum 3, Mal abgebrannt ist, hat man 1289 die Glashütten aus Venedig auf die einsame Insel Murano verbannt - und seither wird dort das weltberühmte Glas erzeugt." Hilde Kuchler hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Tradition des Handwerks und den Werkstoff Glas den Menschen näher zu bringen. Und man hört ihr auch gerne zu.

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Ob sie über 30.000 Grad heiße Blitze, die durch Einschläge in Wüstensand das sogennant "Blitzglas", die Fulgurite, entstehen lassen , erzählt, oder darüber, dass sich die Molekularstruktur des Glases bei 520° C vom festen in den flüssigen Zustand verändert (ähnlich dem Aggregatszustand des Wassers bei 0°), man merkt, dass Glas ihr Leben ist. Und nicht nur ihres, sondern das der gesamten Familie. Immerhin ist mittlerweile neben ihrem Sohn Peter 2 auch ihr Enkelsohn Peter Nummer 3 bereits im Glasgeschäft - und ist als Glaskünstler international gefragt. Für die Mitglieder des St. Urbanus Weinritter Ordenskollegiums war der Besuch in der "Glasburg" auf jeden Fall ein ganz besonderes kulturelles Erlebnis (www.kuchlerhaus.at).

Und weil eine Weinreise natürlich auch etwas mit Wein zu tun hat, ging's anschließend ins Weingut Auer ins benachbarte Tattendorf. Im Familienbetrieb in der Pottendorferstraße werden heute von Leopold und Helga Auer 21 ha Weingärten und 2,5 ha Holunderplantagen bewirtschaftet. Der Tattendorfer Schwemmlandboden und das milde Klima der Thermenregion sind dabei die perfekte Grundlage für St. Laurent und Pinot Noir. Seit 2012 sind die Auers ein Bio-Betrieb, der jährlich etwa 100.000 Flaschen erzeugt. 75% davon Rotweine, 25% Weißweine. 10-15% davon gehen in den Export.

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Leopold Auer ist einer der acht sogenannten "Burgundermacher", deren Einsatz seit dem Jahr 2003 den Rebsorten St. Laurent und Pinot Noir gilt. Jeder "Burgundermacher" hat seine eigene Philosophie und seinen unverkennbaren Stil. Einig sind sich die Visionäre der Thermenregion allerdings, wenn es um Pinot Noir und St. Laurent geht. Im 2001 fertiggestellten neuen Kellergewölbe reifen die edlen Tropfen in kleinen Barriquefässern zu international anerkannten Top-Weinen. Und so darf sich Leopold Auer auch 2017 bereits über höchste Bewertungen im Falstaff-Rotweinguide freuen: 91 Punkte Pinot Noir Reserve 2014, 91 Punkte St.Laurent Reserve 2014, 90 Punkte Pinot Noir 2014, 90 Punkte Zweigelt 2015 und 89 Punkte St.Laurent 2014, alle Weine biologisch ausgebaut.

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Die Verkostung  begann mit dem Pino Blanc 2016. Mit 13% Alkohol leicht, mit sortentypischem gelben Frucht-Aroma, leicht nussig, harmonisch, fruchtig, mit schönem Schmelz. Dann der für die Thermenregin typische Rotgipfler Selection 2016 (aus den Rieden in Pfaffstätten). Kraftvoll und nachhaltig, mit leicht rauchigen Noten, etwas Apfel, 13,5%. Der Chardonnay 2015 wurde im kleinen Holzfass ausgebaut, zeigt sich mit 14% sortentypisch, mit einem Hauch Vanille, Aromen von gelben Äpfeln und etwas Nuss, cremig, kräftig, voll. Interessant die "Gemischte Lese" 2015 aus 35% Chardonnay, 35% Rotgipfler und 30% Riesling. Zuletzt etwas Neues, ein Cabernet Blanc. "Der zählt zu den neueren PIWI-Rebsorten und ist eine Schweizer Kreuzung", erklärt Leopold Auer. "Er ist pilzwiderstandsfähiger, gegen Krankheiten, Winterfrost und Schädlinge toleranter und daher im biologischem Weinbau von Vorteil. Ein sehr spannender, eleganter und harmonischer Weißwein." Der Jahrgang 2016 zeigt sich mit 13% Alkohol balanciert, fruchtig, trinkfreudig.

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Bei den Rotweinen zeigte sich der Zweigelt 2016, im Tank ausgebaut, mit 12,5% mit schönem, sortentypischem Kirscharoma, klassisch. Der Pinot Noir 2015, ausgebaut im großen 3.000 l Holzfass und danach im alten Barrique gereift gefiel durch sein schönes Aroma nach roten Beeren, ist sortentypisch leicht, mit feinen Pilznoten, mittelkräftig, saftig, mit passender Herbe und gutem Abgang. Die Pinot Noir Reserve 2013 aus 27 Jahre alten Reben reifte 18 Monate im kleinen Holz, zeigte sich bei 13,5% Alkohol bei aller Kraft sortentypisch transparent, Fruchtaromen nach roten Beeren, mit kernigen, reifen Tanninen, komplex, lang. Ebenso 18 Monate im gebrauchten Barrique war die Burgundercuvée (50:50), der Pinot Laurent Premium 2013. Auch das ein kräftiger, aber dennoch eleganter Wein.

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Nach der Verkostung gab's im gemütlichen Heurigenlokal sensationell gute und überreichliche kalte Platten. Eine Rheinriesling Auslese 2015 zum Abschluss, 8,5% Alkohol, 60g Restzucker und 7,8% Säure beendete den Besuch beim Auer mit fruchtig, süßen Noten. Eine Ausflug, der uns nicht nur die Welt des Glases, sondern auch den Pinot im Glas näher gebracht hat.

Text und Fotos: Christian Stöger